jeudi 31 mai 2007

Das Heilige Wunderblut von Bois-Seigneur-Isaac

KAPITEL I
Der Grundherr Isaac

In der Nähe von Brüssel, zwischen Nivelles, der Stadt geheiligt durch die Tochter des seligen Pipin von Landen, die hl. Gertrud und Waterloo, berühmt geworden durch die Schlacht, die das Ende der napoleonischen „Helden"-Geschichte markiert, breitet sich ein weites und erhöhtes Plateau aus. Der Reisende, der es durchquert, begegnet 5 Kilometer von Nivelles, auf der Straße, die nach Notre-Dame de Hal (Halle) führt, einer Oase von Grün, die überragt wird von der Turmspitze einer sehr alten gotischen Kapelle. Dies ist Bois-Seigneur-Isaac.
Der Ursprung der Kapelle reicht sehr weit in die Vergangenheit. Er geht auf das Ende des 11. Jahrhunderts zurück. Ein Lehens- oder Gutsherr (= Seigneur) des Gebietes, namens Isaac, hatte bei seinem Schloß zwischen Osten und Mittag, einen kleinen Wald gepflanzt, der seinen Namen der Ortschaft gegeben hat, und, nahe bei der Burg, im Schatten eines Lindenbaumes, hatte er eine Statue der Heiligsten Jungfrau Maria aufgestellt. Abgereist zum Kreuzzug, in Begleitung von Gottfried von Bouillon, wurde er gefangengenommen durch die Sarazenen (Moslems). Da nahm er Zuflucht zur Heiligsten Jungfrau, um seine Befreiung zu erlangen. Die Königin des Himmels erschien ihm und sprach: „Wie kannst du, der du dort unten, vor der Tür deiner Wohnstatt, mich im Freien läßt, ausgesetzt dem Regen und dem Schnee, es wagen, mich zu Deiner Hilfe zu rufen?"
Der Gutsherr Isaac wurde von Furcht und Verwirrung gepackt; aber bald begriff er, daß die Worte der göttlichen Mutter weniger ein Vorwurf als ein Aufruf zum Vertrauen waren. Er versprach, wenn ihm die Freiheit wiedergegeben werde, in Bois-Seigneur eine Kapelle zu errichten, worin das Bildnis Mariens geschützt sein und dauernd verehrt werden würde.Auf wunderbare Weise befreit, führte er sein Gelübde aus. Er machte überdies eine Stiftung, um sicherzustellen, daß im neuen Heiligtum die Feier von drei Messen pro Woche vorgenommen werde. Von da an wurde die Jungfrau von der Linde angerufen unter dem lieblichen und ermutigenden Titel: man nannte sie „Notre-Dame de Grâce et de Consolation" (U.L.F. der Gnaden und des Trostes).
Die ursprüngliche Statue wurde seit zwei Jahrhunderten in ihrem Heiligtum von Bois-Seigneur verehrt, als im Jahre 1336, anläßlich einer furchtbaren Epidemie, die Bewohner von Ittre es erreichten, sie in Prozession durch die Straßen ihrer Pfarrei tragen zu dürfen. Da sie feststellten, daß bei ihrem Vorübergang die Geißel verschwunden war, glaubten sie, daß die Dankbarkeit es ihnen zur Pflicht mache, sich nicht mehr von ihr zu trennen. Mit der Genehmigung von Guillaume (Wilhelm), Bischof von Cambrai, behielten sie sie bei sich. Sie wurde von dieser Zeit an und bleibt es noch heute die liebliche und mildreiche Madonna der Pfarrei Ittre. Jedoch N.-D. de Gâce et de Consolation vergaß nicht das ihr zu Ehren errichtete Sanktuarium; treu gegenüber ihrem schönen Titel, tröstete sie ihre Kinder von Bois-Seigneur, die betrübt darüber waren, ihr gesegnetes Bild nicht mehr zu besitzen: sie erlangte ihnen einen besonderen Gunsterweis, der die bescheidene Kapelle desLehnsherrn Isaac für immer berühmt machen sollte.


KAPITEL II
Geheimnisvolle Visionen

Es war im Jahre 1405. In der alten Burg des Seigneur Isaac, setzte der Ritter Jean de Huldenberghe, auch genannt Jean du Bois, die christlichen Traditionen seiner Ahnen und Vorfahren fort, als er himmlischer Mitteilungen gewürdigt wurde. Am Dienstag vor Pfingsten, da, gegen Mitternacht, reißt ihn eine unbekannte Stimme, die ihn bei seinem Namen ruft, aus dem Schlaf. Vor ihm steht in ganzer Größe ein Mann von ungefähr 30 Jahren, bedeckt mit einem blauen Mantel, doubliert (gefüttert) mit einem Hermelinpelz, und umgeben von einem Licht, das die Strahlen der Sonne hätte erblassen lassen. Bei diesem Anblick wird der Ritter vor Furcht zu Boden geschlagen; aber bald faßt er sich wieder und fragt, was man von ihm wolle. Da läßt diese geheimnisvolle Person, indem sie ihren Mantel halb öffnet, große Wunden sehen, die ihren ganzen Leib bedecken und Ströme von Blut verbreiten. „Schau, sagt er mit einer klagenden Stimme, wie sehr ich grausam behandelt worden bin. Ich bitte dich, hab Mitleid mit mir, hole mir einen Arzt, der fähig ist, mich zu heilen, und verschaff mir Recht."
Der so redete, war - der Leser hat es bereits erraten - Jener selbst, der, gemäß dem Wort des Propheten, über und über bedeckt war von Verwundungen wegen unserer Missetaten, und gebrochen wegen unserer Sünden (Isaias, Kap. LIII, 5). Aber es kam unserem guten Ritter nicht in den Sinn, daß er begünstigt sein könnte von einer übernatürlichen Erscheinung. „Gewiß, antwortete er, Ihr Zustand flößt mir ein tiefes Mitleid ein. Welches ist der so harte Mann, der so unmenschlich wäre, um nicht ergriffen zu sein? Aber ich weiß nicht, wo ich einen Arzt finden könnte, der genügend Experte wäre, um so furchtbare Verwundungen zu behandeln. Was die Sache mit dem „Ihnen Recht verschaffen" betrifft, gibt mir mein Rang nicht eine genügend große Macht, um aus dem Attentat, dessen Opfer Sie sind, die Rache zu ziehen, die es erfordert."
Allem Anschein nach hatte Jean du Bois nicht begriffen. Dieser gute Samaritan, der die Wunden des göttlichen Verwundeten verbindet, dieser Rächer, der ihm Recht verschafft, ist der Christ, der sich befleißigt, seine eigenen Sünden und jene der andern zu sühnen: Unser Herr verlangte mit dieser symbolischen Sprache Buße und Wiedergutmachung. „Diesen Arzt, sprach er weiter, würdest du leicht finden, wenn du gut suchst. "Wie wäre ich nicht ganz bedeckt mit Wunden, fügte er hinzu, da man mir jeden Tag neue zufügt?" Dann zeigt er dem Seher eine sehr große Wunde, die er in der Seite hatte, ähnlich, sagt die alte Chronik, jener, die man in der rechten Seite Unseres Herrn Jesus Christus malt. „Schau genauer hin auf diese Wunde, sagte die Erscheinung: es ist jene, die mir die grausamste Qual verursacht".
Jean du Bois war untröstlich, auf so ergreifende Klagen nicht anders antworten zu können als nur mit einem sterilen Mitleid. „Wenn du mir nicht ein anderes Heilmittel beschaffen kannst, fuhr der gute Meister fort, leg wengistens die Hand in meine Wunden, um ihren Schmerz zu mindern. Mach was du kannst, und ich werde dir dankbar sein, bis du ein Besseres wirst tun können und ich dann der Welt vergebe." Indem er diese Worte sprach, verschwand er.
In der folgenden Nacht dieselbe Erscheinung. Unser Herr tadelte Jean du Bois wegen seiner Nachlässigkeit. „Siehe, sagte er ihm, da habe ich dir meine Wunde gezeigt (enthüllt); ich habe dir meine Schmerzen eröffnet und meine Qualen bekannt gemacht, damit du Mitleid habest mit mir und mir einen Arzt suchest, der mich heilt und meine Schmerzen lindert, und du hast dir nichts daraus gemacht! Werde ich denn niemanden finden, der sich um mich kümmert und einwilligt, meine Sache in die Hände zu nehmen? Wird man meine Wunden sich vergiften (infizieren) lassen? Werde ich mich heftig erzürnen müssen gegen eine Welt, die taub bleibt gegenüber meinen Klagen?"
Jean du Bois, verwirrter als je, ahnte noch nicht, daß er der Gegenstand einer jener Gunsterweise war, welche die Demut im tiefsten Schweigen zu vergraben sucht. Als der Morgen kam, erzählte er alles denen seiner Umgebung, indem er ihre Meinung und ihren Rat erbat. Er überraschte sie sehr, konnte aber kein Licht von ihnen gewinnen. Da bat er seinen Bruder, bei ihm zu bleiben durch die folgende Nacht, um ihn zu beruhigen durch seine Anwesenheit und notfalls ihn zu verteidigen. Alle beide schlossen sich sorgfältig ein. Vergebliche Vorsorge! Die Erscheinung ereignete sich zum dritten Mal.
Zuerst geschah alles wie bei den vorausgegangenen Visionen. Aber als Unser Herr von neuem die Pflege durch einen hilfsbereiten Arzt verlangte, gab ihm Jean du Bois diese naive Antwort: „Diesen Arzt, wenn ich ihn kommen lasse, an wen soll ich ihn sich wenden lassen? Ich weiß nicht, wer Sie sind, und ich kenne auch nicht Ihren Wohnort." Da sprach der Herr zu ihm:
„Nimm den Schlüssel der Kapelle, und geh hin: dort wirst du mich finden, und du wirst wissen, wer ich bin."
Es schien dem Ritter, daß er diesen Befehl ausführte, und daß er, indem er bis zum Heiligtum vortrat, über dem Altar Jesus Christus am Kreuze hangend, den Leib ganz zerrissen von grausamen Wunden und aus seiner halb geöffneten Seite eine große Fülle von Blut vergießen sah.
Diesmal hat der Seher den göttlichen Gerkeuzigten erkannt. Er wirft sich vor Ihm nieder, „nach dem Beispiele Magdalenas, brennend vor Liebe und ergriffen von Mitleid und Erbarmen". Äußerlich zeigten sich sein Schmerz und seine Ängste durch eine heftige Erschütterung, die sich sein Bruder nicht erklären konnte, und vor allem durch einen Blutschweiß, mit welchem all seine Glieder bedeckt waren.
Zu sich gekommen, warf der gute Ritter mit einer sanften Ironie seinem Bruder vor, ihn nicht besser bewacht zu haben, und erzählt ihm, daß die Person der Vision ihn ausgescholten habe wegen seiner Nachlässigkeit. „Er hat uns gedroht, fügte er hinzu, sich noch mehr zu erzürnen gegen das Menschengeschlecht, wenn man ihm nicht mehr Interesse entgegenbringe; ... und, nachdem er mir seine blutenden Wunden gezeigt hatte, hat er die gleiche Bitte wie vorher an mich gerichtet. Ich sehe daraus, daß es Unser Herr Jesus Christus ist... Wahrhaft. Ich habe ihn sterben gesehen, und so qualvoll leidend an der Wunde in seiner Seite, daß daraus ein Strom von Blut geflossen ist. Wir werden ihn diesen Morgen von neuem gestorben auf dem Altar vorfinden."
Diese Überlegung mag uns seltsam erscheinen. Wußte Jean du Bois nicht, daß der auferstandeneChristus nicht von neuem stirbt? Er konnte über diesen elementaren Punkt der christlichen Lehre nicht unwissend sein, denn seine religiöse Bildung war nicht vernachlässigt worden: die zeitgenössische Chronik berichtet uns sogar, daß er es in seinen Unterhaltungen liebte, die Heilige Schrift zu zitieren. Es ist also wahrscheinlich, daß er mit diesem theologisch inexakten Ausdruck nur zu verstehen geben wollte, in welch bemitleidenswertem Zustand der Herr ihm erschienen war. Vielleicht auch war dies ein prophetisches Wort. Bald in der Tat sollte auf diesem selben Altar, auf dem Jean du Bois in Vision den sterbenden Christus geschaut hat-te, die Hostie gefunden werden, die, sozusagen, in ihrem Blut schwamm, wie ein Schlachtopfer.


Bois-Seigneur-Isaac

Kapitel III
Das Eucharistische Wunder
§ 1 - DIE HIMMLISCHE STIMME


Jean du Bois hatte eben seine letzte Vision. Es war am Freitag morgen. Der Pfarrer von Haut-Ittre, in dessen Pfarrei sich damals Bois-Seigneur befand, nahm ruhig seine Arbeitspause. Plötzlich vernimmt er eine Stimme, die zu ihm sagt: „Sire Pierre, erhebe dich, und geh sofort die Messe vom Hl. Kreuz feiern in der Kapelle von Bois-Seigneur-Isaac." Der Priester wacht auf, von Überraschung gepackt. Der Befehl, den er erhält, scheint ihm seltsam; er kann sich den Grund dafür nicht ausmachen. Aber es ist wirklich der Himmel, der eben zu ihm gesprochen hat; er kann es nicht bezweifeln; er muß gehorchen. Er schiebt eine Jahrzeitmesse, die er an diesem Tag in seiner Pfarrkirche hätte halten sollen, auf später auf, und begleitet von seinem alten Vikar begibt er sich nach Bois-Seigneur. Zusammen mit ihm betritt eine Gruppe Gläubiger die Kapelle, die auf das Glockengläute hin aus der Nachbarschaft gekommen sind. Unter ihnen befindet sich Jean du Bois. Noch unter dem Eindruck seiner kürzlichen Visionen, scheint der fromme Ritter nachdenklich und verwirrt.

§ 2 - DAS VERGIESSEN DES BLUTES

Nachdem er das Korporale auseinandergefaltet hatte, aber - entsprechend der Gewohnheit der Zeit - erst der Länge nach, beginnt Pierre Ost die Messe vom Heiligen Kreuz. In seiner Haltung, in den Zügen seines Gesichtes bemerkt man einen Ausdruck der Sammlung und der Andacht, über die die Anwesenden zutiefst betroffen sind: man fühlt, daß auch für ihn sich etwas Außerordentliches zugetragen hat. Beim Offertorium angelangt, in dem Augenblick, da er den Kelch nehmen will, um ihn als Gabe darzubringen, bemerkt er auf dem Korporale, das er soeben zur Gänze geöffnet hat, eine beträchtliche Partikel einer konsekrierten Hostie - ungefähr einen Achtel der Größe einer großen Hostie. - Es war, ohne jeden Zweifel, durch eine göttliche Zulassung, daß er sie vergessen hatte, als er am vorausgehenden Dienstag gekommen war, um im Heiligtum von Bois-Seigneur zu zelebrieren. Er will sie aufheben und sie beiseitelegen, um sie vor den Ablutionen (Händewaschung) zu sumieren; er streckt respektvoll die Finger darnach aus; aber er kann sie nicht aufheben: sie scheint ihm einen unüberwindlichen Widerstand entgegenzusetzen. Er versucht es nochmals: vergebliches Bemühen! Plötzlich sieht er Bluttropfen aus der heiligen Partikel fließen und sich über das Korporale ausbreiten. Bei diesem Schauspiel, erstarrt vor Schrecken, erbleicht er, zittert er, fühlt er sich ohnmächtig werden, er ist im Begriffe, bewußtlos hinzufallen. Sein Vikar bemerkt es, gibt Jean du Bois ein Zeichen. Der fromme Ritter nähert sich dem Altar, gibt sich Rechenschaft über das Wunder, sieht darin einen neuen Akt des geheimnisvollen Dramas, dessen Zeuge er seit 3 Nächten ist, und erkennt darin den Finger Gottes: „Gehen wir, Messire, sagt er mit leiser Stimme, erschrecken Sie nicht: dieses Wunder kommt von Gott; Vertrauen! Er wird uns seinen heiligen Willen kundtun."
Ein wenig getröstet von diesen ermutigenden Worten, nimmt Pierre Ost ein anderes Korporale, legt jenes, das vom wunderbaren Blut gerötet wurde, zur Seite und fährt mit dem heiligen Opfer weiter. Noch niemals hatte er vor den heiligen Mysterien eine so tiefe Hochachtung empfunden. Ohne daß er es will, geht sein Gedanke ununterbrochen zur blutigen Hostie, die da ist, auf dem Altar, und seine Blicke fesselt. Nur mit großer Mühe gelingt es ihm, den Schrecken zu beherrschen, der ihn gefangenhält.
Als die Messe beendet ist und Jean du Bois und die anderen Anwesenden hinzugetreten sind, zeigte Pierre Ost ihnen auf dem Korporale die wunderbare Hostie. Er zeigte ihnen das Blut, das immer noch herausschwitzte, sich nach und nach auf dem heiligen Tuch ausbreitete und die Hostie erhob, ohne sie aufzulösen, ohne selbst ihre blendende Weiße zu verändern.
Die Nachricht von diesem Ereignis verbreitete sich alsbald in allen umliegenden Gegenden. Reiche und Arme, Große und Gewöhnliche liefen zur Kapelle von Bois-Seigneur herbei. Ihrerseits sahen sie das Blut, das Tropfen um Tropfen floß und wie ein flüssiges Tüchlein bildete, auf welchem die Hostie ruhte.
Die Tage folgen sich aufeinander und das Wunder dauert an; es ist offensichtlich, berührbar: ein jeder kann es nach Belieben betrachten; die Priester berühren es mit ihren Händen.
Erst am 5. Tag, am Dienstag nach Pfingsten, hörte das Blut zu fließen auf. Es hatte da die Dicke eines Fingers auf drei der Breite nach erreicht, die sechs ersten Doppellagen des Korporale stark imprägniert, das achtfach gefaltet war, und durchgedrungen bis zur 7. Lage. Während der Tage, die darauf folgten, gerann es nach und nach, aber es trocknete nicht vollständig aus, erst am Donnerstag des Heiligsten Sakramentes (Fronleichnam).

§ III - BESTÄTIGUNG DES WUNDERS

Die Nachricht von einem solchen Wunder konnte der kirchlichen Behörde nicht lange unbekannt bleiben. Die Diözese von Cambrai, von welcher Bois-Seigneur abhing, hatte damals an ihrer Spitze den berühmten Pierre d'Ailly. Dieser Prälat wollte das vom wunderbaren Blut befleckte Korporale selber untersuchen. Er empfing es aus den Händen von Sire Jean Correman, Dechant von Hal, und behielt es ungefähr 2 Jahre, um die Veränderungen, die sich auf ihm einstellen könnten, zu überwachen. Er ließ es nacheinander durch ein Wein-, Milch- und Seifenwasser-Bad gehen, aber er mußte konstatieren, daß der Blutfleck nicht ausging, nicht die geringste Veränderung erfuhr. Von da an betrachtete er das Korporale als eine wertvolle Reliquie, und er wollte seine Kathedralkirche damit beehren; aber auf die inständigen Bitten Jean du Bois' hin und einiger anderer frommer Personen, gab er es Bois-Seigneur zurück. Desgleichen wollte er die bescheidene Kapelle, den Schauplatz eines so großen Wunders, ehren. Überzeugt, daß sie bestimmt war, ein Ort des Segens zu werden, wollte er sie feierlich einweihen lassen durch seinen Stellvertreter. Der Altar wurde dem Heiligen Wunder-Blut, der Heiligsten Jungfrau und dem hl. Johannes des Täufers geweiht. Es war der 3. Mai 1411.
Um die gleiche Zeit erhielt Pierre d'Ailly von Papst Johannes XXIII. den Kardinalspurpur mit der Mission eines Legaten a latere für die Diözese von Cambrai und für ganz Deutschland. Während er sich dieser päpstlichen Anordnung unterzog, sah er Jean du Bois zu sich kommen, der ihn innig bat, die Echtheit des Wunders offiziell bestätigen zu wollen.
Auf solche Ersuchen antwortet die Kirche nur mit einer weisen Langsamkeit und erst nach den strengsten Untersuchungen. Trotz des Ergebnisses der minutiösen Prüfungen, welchen er das Korporale des Heiligen Blutes unterzogen hatte, trotz seiner persönlichen Überzeugung und der Stimme des Volkes, die ohne zu zögern die wunderbaren Eigenschaft des Geschehens verkündete, wollte Pierre d'Ailly sich nicht äußern, bevor er nicht alle Vorsichtsmaßnahmen erschöpft haben würde, die sich in einer Sache von solcher Tragweite aufdrängen: er ordnete einen Informativprozeß an. Mit Briefen vom 23. September 1413 ernannte er als Kommissare der Untersuchung drei kirchliche Persönlichkeiten von Nivelles: den Dekan von Ste-Gertrude, den Prior von les Guillemins und den hochwürdigen Pater Guardian der Kapuziner. Die Zeugen wurden unter den vertrauenswürdigsten erwählt. Nachdem sie auf die heiligen Evangelien geschworen hatten, sagten sie, was sie anläßlich des Vergießens des wunderbaren Blutes gesehen hatten; sie erzählten die übrigen außerordentlichen Tatsachen, die den übernatürlichen Charakter des Wunders noch erhärteten: furchtbare Strafgerichte, die die harten Geister heimsuchten, die sich darüber lustig gemacht hatten, wunderbare Hilfen erlangt von frommen Gläubigen zur Belohnung ihres Glaubens an das Heilige Blut.
Ein Protokoll von diesen Zeugenaussagen wurde erstellt unter dem Datum des 10. Oktober 1413. Am darauffolgenden 18. Oktober veröffentlichte der Kardinal-Legat eine Bulle, mit welcher er, nach seinen eigenen Worten, kraft der apostolischen Autorität, die Echtheit des Wunders bestätigte und das Korporale des Heiligen Blutes als wahre Reliquie erklärte, würdig, für immer verehrt und geehrt zu werden. Diese Bulle, versehen mit dem päpstlichen Siegel, ist auch jetzt noch verwahrt in den Archiven von Bois-Seigneur.
Pierre d'Ailly war nicht zufrieden damit, die Andacht zum Heiligen Blut gutzuheißen; er ermutigte sie, indem er Ablässe jenen gewährte, die kommen würden, um die heiligen Reliquien am Freitag vor Pfingsten zu verehren, dem Jahrestag des Wunders. Er ordnete an, daß man jedes Jahr, am Sonntag nach der Geburt der Heiligsten Jungfrau Maria, in Bois-Seigneur eine feierliche Prozession abhalte mit den selben liturgischen Gesängen wie an Fronleichnam. Er gewährte auch kostbare geistliche Begünstigungen jenen, die teilnehmen würden an dieser eucharistischen Kundgebung. Ein beachtenswertes Dokument, datiert von 1667, berichtet uns, daß zum Ende des XVII. Jahrhunderts die Prozession des Heiligen Blutes noch in Ehren war und daß man während der Oktav, die ihr folgte, das Offizium des Heiligsten Sakramentes hielt (Bericht über eine Reise durch Flandern, Brabant, Hainaut .. von M. Michel de S. Martin. Caen, Marin Yvon 1667) Ohne Zweifel blieb es so bis zur Revolution. Wiederhergestellt im Jahre 1896 durch die Diözesanbehörde, wird die seinerzeit durch Pierre d'Ailly errichtete Prozession jetzt am gleichen Datum gefeiert mit einer Feierlichkeit, die sie vielleicht noch nie zuvor gekannt hatte. (1913)

(Aus dem Französischen übersetzt von P. 0. Schenker, aus: „Le Saint Sang de Miracle à Bois-Seigneur-Isaac, Son Histoire, sa chapelle, son pèlerinage", 1932) DZM August/September 1992 (26/4-5)